Neuerscheinung „En seller Nacht“ ist da!

Die Weihnachtsgeschichte auf gut Schwäbisch
Mundartdichter Manfred Kraus hat sich an einen großen Stoff gewagt. Was seine Fassung so besonders macht, erzählt er hier

Interview mit Chefredakteur Johann Stoll in der Mindelheimer Zeitung vom 16. November 2021

Johann Stoll: Weihnachten nähert sich mit Riesenschritten. Was macht für Sie, den bekennenden Liebhaber der schwäbischen Mundart, den besonderen Reiz dieser staden Zeit aus, wie die Altbayern sagen würden?

Manfred Kraus: „Riabig“ ist ein schöner Ausdruck unserer Mundart, der dem altbayerischen Begriff „stad“ durchaus das Wasser reichen kann und schon viel von dem ausdrückt, was diese stille Zeit auszumachen vermag. Die Natur macht es uns eigentlich vor – die Tage werden kürzer, Ruhe kehrt ein, das Leben gönnt sich eine Pause, um durchzuatmen, zu sich zu kommen, Kraft zu schöpfen. Dass auch wir im Advent aufnahmefähiger für das Leise und die Zwischentöne sind, deutet auf eine tief in uns beheimatete Sehnsucht hin, an der wir allerdings allzu oft vorbeihasten. Die Mundart hat das Zeug, uns ans Innehalten zu erinnern. Die Warmherzigkeit ihres vertrauten Klanges lässt uns verweilen.

Johann Stoll: Sie haben die Weihnachtsgeschichte neu auf Schwäbisch erzählt. Wie unterscheidet sich Ihre Fassung von jener sehr beliebten von Arthur Maximilian Miller?

Manfred Kraus: Wenn die Namen Poldl Schuhwerk und Arthur Maximilian Miller fallen, nehme ich erst einmal einen ganz langen Atemzug, ehe ich mir gestatte, meinen eigenen auszusprechen. Millers „Schwäbische Weihnacht“ ist beinahe so alt wie ich und ein Meisterwerk. Trotzdem habe ich überhaupt nicht nach ihr geschielt. Ich fühle mich beim Schreiben nur wohl, wenn ich meine eigenen Gedanken mit meinen eigenen Worten zu Papier bringe. „En seller Nacht“ ist also eine gänzlich unabhängige Neufassung der Weihnachtsgeschichte, die bei mir auch tatsächlich im Heiligen Land mit seinen Ölbäumen, Weinbergen und Feldsteinmauern spielt, während der „Schwäbischen Weihnacht“ ganz überwiegend eine alpenländische Kulisse zugrunde liegt. Zudem bewirke ich durch das Stilmittel der Personifikation von Tieren einen Perspektivwechsel mit eigenem Blickwinkel. Ein weiteres wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu Arthur Maximilian Millers Werk findet sich darin, dass ich die Heilige Familie durchgängig mit gereimten Versen auf dem steinigen Weg von Nazareth nach Bethlehem begleite. Höchste Bedeutung hat für mich dabei die konsequente Verwendung echter und unverfälschter Mundart.

Johann Stoll: Gibt es einen Ort, an dem Sie Weihnachten ganz besonders spüren?

Manfred Kraus: Ich werfe sehr gerne einen zweiten Blick auf die Dinge. Dabei begegnen mir immer wieder verborgene Momente, die ich aufbewahre, um aus ihnen Anregungen zu schöpfen. Während des Schreibens verweile ich dann gedanklich an diesen Orten. Weihnachten spüre ich besonders eindringlich bei der Krippe der Mindelauer Pfarrkirche St. Jakobus, die mir schon seit meiner Kindheit ans Herz gewachsen ist. Wenn ich in der Stille vor ihr stehe, weckt das in mir eine besinnliche Stimmung, die sich dem Eigentlichen der Weihnacht zuwendet.

Johann Stoll: Ihr Buch ist illustriert mit Bildern aus der Mindelauer Kirchenkrippe. Warum haben Sie gerade dieses Motiv gewählt?

Manfred Kraus: Meine Aufnahmen sind über einen langen Zeitraum entstanden. Sie bedeuten mir viel, weil die Krippe in Bildern erzählt, was meine Mundart mit Worten ausdrücken möchte. Ich hoffe, dass dieses Zusammenspiel aus Text und Bildern auch die Leserinnen und Leser berührt.

Johann Stoll: Dialekt entfaltet seine Farben und Zwischentöne erst so richtig, wenn er gesprochen wird. Sie haben jetzt ein Buch in schwäbischer Sprache geschrieben. Das kann man lesen und anschauen. Ist auch geplant, Ihre Geschichte hören zu können?

Manfred Kraus: Ich freue mich schon sehr darauf, im Advent mit den klangvollen Frauenstimmen des Chors Insomnia zwei Abende zu gestalten. Am 28. November werden wir in Mindelaus Pfarrkirche St. Jakobus und am 11. Dezember in Untereggs Pfarrkirche St. Martin mit stimmungsvollen Liedern und der Weihnachtsgeschichte „En seller Nacht“ zu hören sein. Ich hoffe, dass uns die Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht.

Manfred Kraus
En seller Nacht * Die Weihnachtsgeschichte in Unterallgäuer Mundart
Fadengeheftetes Hardcover
ISBN 978-3-947423-37-8
9,90 Euro
Verlag Hans Högel KG Mindelheim
Erscheinungsdatum: 17. November 2021
Erhältlich in den MZ-Geschäftsstellen, im Buchhandel und telefonisch unter 08261/9913-10 sowie online unter www.mindelheimer-zeitung.de/shop