Ölzweig im Windhauch
Sacht wiegt sich das Silbergrün
eines Ölzweigs im Windhauch
Auf die reglose Tinte
des schwarzblauen Meeres
rieselt glitzernd Stille herab
Gemächlich löst
ein zartes Wölkchen
seine Watte
im Himmelsglas auf
Überwältigt vom Licht
nimmt sich der Augenblick
Zeit um noch zu bleiben
aus: Sommergewitter in der Bucht von Liméni
[…] Aus den verdörrten gelben Gräsern ragen große, dornige Eselsdisteln, als seien sie ein Mahnmal des ausgebrannten Bodens, der in den dürren Stängeln seine Hände anklagend zur erbarmungslosen Sonne erhebt. Zu der Stille des Augenblicks gesellt sich Melancholie. Schmerzerfüllt und trotzig zugleich stoßen die verkrüppelten, gezähnten Stummelblätter der stacheligen Disteln ihr staubtrockenes Braun in das strahlend leuchtende Himmelsblau. Mit dem Stolz derer, die nichts zu verlieren haben, bekrönen verbleichende purpurfarbene Blütenköpfe in haarigen Kelchen die unbeugsamen Stauden. Sie verschaffen einer tiefen Sehnsucht nach Farbe bescheidene Befriedigung. Wer das durchmacht, was die Disteln täglich ertragen, der wirft alle Sentimentalität über Bord und schert sich nicht um Unterwerfung. Wer nichts hat, der streift seine Hemmungen ab und tritt mutig und stolz der Unausweichlichkeit entgegen, den zügelt nicht bange Zurückhaltung vor der Drohung einer hoffnungslos überlegenen Macht.
Der Farbtupfer ihrer Blüten kostet die Disteln gewaltige Mühe und vielleicht auch die allerletzte Kraft, doch in der ungehorsamen Weigerung, sich klaglos der Dürre zu ergeben, findet der beschwerliche Kampf, den der südlichste Landzipfel Griechenlands gegen die Hitze schier aussichtslos führt, sinnbildlich seinen unaufgeregten Ausdruck. Die Disteln können ihren Kampf nicht gewinnen. Verloren aber geben sie ihn trotzdem niemals.
Wahre Gestalt und stille Größe gewahrt man auf der Máni erst auf den zweiten Blick. Doch gerade das ist es, was sie ausmacht, diese Halbinsel, die sich in der kargen Gewaltigkeit ihrer Gebirgslandschaft weit in die Fluten und Tiefen hinauswagt. Trotz der strengen Härte steht ihr die melancholische Poesie des von der sengenden Sonnenhitze ausgedörrten Landes gut zu Gesicht.
Gleichsam zum Symbol werden die Bilder. Meint die dürre Kargheit Erschöpfung, stehen die nackten Berge für Enthaltsamkeit, so treten die Disteln an die Stelle von Standhaftigkeit und die Türme der Máni sind der Wille zur Behauptung. Diese Angeschlagenheit ist es, die ich liebe, die sich zur Wehr setzende Aussichtslosigkeit. Ich würde verzweifelt sein, sprächen nur Vollkommenheit und Vollendung mich an.
Spiegelglatt und träge liegt das glasklare Wasser in der indigoblauen Bucht von Liméni […]
Ägäisches Licht
Verschwenderisch
gießt der erwachende Tag
seine Strahlen über das Meer
Auf dem Silberleuchten
schwimmen die Inseln
im Licht
In vollen Zügen
verschluckt die Sonne
die unendliche Ägäis
um sie des Mittags
in der Tiefe des Blaus
aufs Neue zu gebären
Und über allem
spannt sich der Himmel
wolkenlos
glasig
wie Seide
Fluten von Licht
erfüllen
den ägäischen Morgen
ergießen sich
stürzen herab
beleben
berauschen
entrücken
entziehen den Boden
laden die Sinne
zum Baden im Licht
Gleißend entzündet das Licht
die rostroten Felsen
lässt ihre Farben zerfließen
bis Flammen umzüngeln den Stein
Sein Leuchten streichelt
die Blätter des Ölbaums
der sich knorrig
empor gewunden hat
in aberhundert Jahren
rinnt über
das silbern glänzende Graugrün
und tropft
von den Blattspitzen
auf die staubtrockene Erde
Wie auf ein Geheimzeichen stimmen
die Zikaden ihr Zirpen wieder an
das für Augenblicke verstummte
Hinein in den Himmel wächst
die unsterbliche Zypresse
dem Lichte entgegen
das einmalig erscheint
und sich doch immerfort
bedingungslos schenkt
Salzgeruch
liegt in der Luft
und ein Hauch von Ewigkeit
Die Gedanken
die Gefühle
sie taumeln
Rieche den Nordwind
höre die Stille
sehe die Ausschweifungen des Blaus
falle ein Stück aus der Zeit
und komme dem Leben näher